Wenn es Preise für sämtliche Faux-Pas bei Wettkämpfen gäbe, ich hätte sie wohl schon alle eingeheimst: Am Abend vor dem Ultratrail grillen, so dass man am nächsten Tag einen ordentlichen Stein im Magen hat? Der Preis geht an mich! Kurz vor dem Lauf noch ein neues Gel ausprobieren und sich dann mit Krämpfen über die Strecke schleppen? Jap, das bin ich! Die neuste „Trophäe“ im Schrank, durfte ich beim Tübinger Triathlon entgegen nehmen, der zum ersten Mal stattfand und gleich mal die erste und zweite Bundeslige am Start hatte – Plus 1500 weitere Starter, die in der Stadt am Neckar ein turbulentes Triathlon-Fest feierten.
Gutes Rad ist teuer!Mein Arbeitgeber hat aktuell einige Testbikes der belgischen Marke Ridley im Haus – damit wir quasi mal live testen können, was wir da eigentlich verkaufen. Entsprechend groß ist meine Freude als ich erfahre, dass ich eines davon – ein Noah SL mit elektronische Campa-Schaltung – beim Triathlon in Tübingen ausführen darf. Natürlich fahre ich das Rad einmal Probe und muss schnell feststellen: Das Noah und ich könnten gut zueinander passen! Da das Teil relativ teuer ist, passe ich natürlich besonders gut darauf auf und behandele es wie ein rohes Ei, vor allem beim Einladen in das Auto am Wettkampftag. Ich lege es behutsam hinein und achte darauf, dass es an allen Ecken gut gepolstert ist. Als ich davon überzeugt bin, dass alles in Ordnung ist, machen Foxy und ich uns bei strahlendem Sonnenschein und milden Temperaturen auf den Weg nach Tübingen – und des Drama nimmt seinen Lauf.
Mit den Startunterlagen und der Ausrüstung in der Hand – wir waren immerhin schon so schlau, alles am Vortag abzuholen – flanieren wir über die schöne Neckarinsel in Richtung Wechselzone. Die Sonnenstrahlen dringen durch das dichte Blattwerk und tauchen die ganze Szenerie in ein malerisches Licht. Meine Vorfreude steigt mit jedem Meter, dem wir uns dem Wettkampfgelände nähern. Am Zaun angekommen, muss Foxy leider erstmal draußen warten, während ich meinen Platz einrichte. Eine Routine, die ich mir nun schon bei einigen Triathlons angeeignet habe. Daher bin ich auch recht schnell fertig. Aber wie es bei Routinen eben so ist, sollte man aufpassen, dass es nicht irgendwann alles zu selbstverständlich wird. Diese Lektion durfte ich an diesem Tage noch schmerzlich erfahren – später mehr dazu.
Als ich fertig bin überblicke ich noch kurz den Bereich. Es ist ein ganz schön langer Weg vom Schwimmausstieg hin zu meinem Platz. Später zeigt meine Uhr einen Wert um die 800 Meter an, die ich alleine in der Wechselzone gelaufen bin. Da die Schnupper- und Sprintdistanzler bereits auf der Strecke sind, ist auch auf der Neckarbrücke schon einiges los. Die Zuschauer drängen sich auf den schmalen Bürgersteig, denn die Wechselzone der Bundesliga-Profis ist direkt oben auf der Brücke aufgebaut und dementsprechend ist wenig Platz. Zu den Triathlon-Fans gesellen sie nämlich auch noch die Besucher des verkaufsoffenen Sonntags und des Sommerinselfests am nahe gelegenen Anlagensee.
Die noch etwas chaotisch verlaufende Wettkampfbesprechung – es gibt drei Startgruppen, aber nur zwei verschiedene Badekappen (OH MY GOD!) – ist schnell abgehakt und die wichtigsten Fragen geklärt. Jetzt beginnt die erste Hürde des Tages: Ich muss mich durch die Menschmassen in Richtung Schwimmstart quetschen. Das geht zum Glück relativ gut, da ich mich durch meinen pechschwarzen Neoprenanzug schnell als Athlet bemerkbar mache und mich die Leute passieren lassen. Als ich meine Zehen ins aufgewühlte Wasser des Neckars strecke, bin ich heilfroh einen Neo anzuhaben, der mich vor dem 17° kalten Wasser schützt. Noch fünf Minuten bis zum Start und das lange warten an der Startlinie beginnt.
Ohne hörbaren Countdown macht es plötzlich Peng und die erste Startgruppe, der auch ich angehöre, setzt sich mit wilden Armbewegung und teilweise gehend in Bewegung. Gehend, weil der Neckar im Startbereich doch recht flach ist und die Starter im Außenbereich in dem gerade einmal beckenhohen Wasser nicht wirklich schwimmen können. Als sich das Feld dann aber langsam entzerrt, ist auch für sie ausreichend Platz.
Davon bekomme ich naturgemäß recht wenig mit, da ich – wie immer auf den ersten Metern – damit beschäftigt bin, nicht von den anderen Mitschwimmern überrumpelt zu werden. Freiwasserstarts sind eben immer Krieg! Irgendwann gelingt es mir mich freizuschwimmen und es geht nun relativ unkompliziert in Richtung Wendeboje. Mit jedem Armzug werden die Arme schwerer und ich verschlucke mich des Öfteren, wodurch ich unter akute Atemnot gerate. Einen Atemzug auszusetzen ist unter solch einer hohen Belastung nicht sonderlich angenehm.
Nach endlos scheinenden Minuten ist die Boje endlich erreicht. Ich halte mich etwas weiter außen, um nicht wieder unter die Räder zu geraten. Das gelingt mir soweit auch ganz gut und ich setze meinen Weg relativ ungehindert fort – jetzt entgegen des Stroms, was die Aufgabe nicht gerade einfacher gestaltet. Von den Schwimmern ringsum werden immer wieder kleine Wellen ausgelöst, die das Atmen erschweren. Aber ich beiße mich durch und endlich kommt die mit blauem Teppich belegte Treppe in Sicht, die den Schwimmausstieg markiert. Mit einem ungläubigen Blick stoppe ich die Zeit, die tatsächlich irgendwas mit 23 Minuten anzeigt – ein Top Wert für mich!
Der Radsplit des Tübinger Triathlons fängt für mich schon mal wenig erfolgreich an. Nachdem ich die wirklich sehr lange Wechselzone hinter mich gebracht und das Fahrrad die Treppe hoch getragen habe, reißen direkt mal die Gummis, mit denen ich die Schuhe am Rahmen befestigt habe. Dadurch kann ich nicht losrollen und pfriemele genervt solange unter den Augen der zahlreichen Zuschauer an den Schuhen herum, bis meine Füße endlich drin sind. Bereits jetzt haben mich einige Athleten überholt – und es sollen nicht die letzten gewesen sein.
Auf den ersten Kilometer geht es relativ flach aus Tübingen hinaus. Ich trete zwar einen Schnitt von rund 35 km/h, aber wirklich angenehm fühlt es sich nicht an. Na toll, da hab ich schon so ein dickes Rad unter dem Arsch und trotzdem geht das hier nicht von alleine. Das Grau des Stadtbildes wechselt nach und nach mit dem Grün des Schönbuchs, der sich im Norden der Stadt am Neckar erstreckt und die Strecke beginnt ganz langsam anzusteigen.
Für meine Leistung ist das nicht gerade förderlich. Ich werde immer langsamer und werde überholt. Nicht, dass es mich irritieren würde. Ich weiß, dass meine Rad-Form dieses Jahr nicht sonderlich gut ist, dennoch wäre es andersrum natürlich schöner. Ich hoffe, dass die Wende nicht mehr so lange auf sich warten lässt. Dennoch zieht es sich noch eine ganze Weile hin, bis die Mittelleitplanke unterbrochen ist und wir von den Helfern wieder in Richtung Tübingen dirigiert werden.
Jetzt geht es erstmal ordentlich ab. Ich beschleunige auf über 50 km/h, muss aber im Gegensatz zu den anderen ordentlich strampeln um das Tempo zu halten. Gut, es ist nicht so steil und ich hab keinen Triathlon-Auflieger – aber vielleicht hätte ich hier schonmal stutzig werden können. Leider beginnt jetzt auch mein Rücken weh zu tun, da das Rad nicht so optimal auf mich eingestellt ist. Und ich muss so noch über 20 km hinter mich bringen – na, wenn das mal nicht spaßig wird.
Als ich auf die zweite Radrunde gehe, fällt es mir zunächst schwer richtig zu beschleunigen. Ich merke, dass die Kraft schwindet. Also gibt es erstmal einen Riegel und einen großen Schluck Iso-Getränkt. Kurz darauf geht es auch schon wieder besser und zumindest den flachen Teil des Hinwegs bringe ich halbwegs passabel hinter mich. Als es dann aber wieder bergauf geht, muss ich erneut einige Federn lassen. Teilweise schaffe ich nicht mal mehr die 20 km/h-Marke. Immer mehr Athleten fahren an mir vorbei, während ich nur gebannt auf die nicht enden wollende Mittelleitplanke starre – wann kommt endlich diese verdammte Kehre.
Für den Rückweg nehme ich mir vor, es etwas lockerer angehen zu lassen, damit wenigstens das Laufen nicht ganz so miserabel wird. Bergab gebe ich nicht mehr ganz so viel Gas und auch auf den letzten Metern in die Stadt mache ich mich nicht mehr verrückt. Daher klappt wenigstens der Wechsel vom Rad zum Laufen ohne Probleme.
Die Laufstrecke führt durch die malerische Tübinger Altstadt und ist – sehr zu meinem Leidwesen – relativ hügelig. Schon auf dem Weg aus der Wechselzone merke ich, dass meine Pumpe heute nicht mehr so viel Lust hat, Leistung zu bringen. Zwar geht es den Beinen noch gut, aber immer wenn ich versuche einen Schritt schneller zu laufen, macht mein Kreislauf mir einen Strich durch die Rechnung. Da können auch die zahlreichen Zuschauer, die die Laufstrecke säumen und uns frenetisch bejubeln nichts ändern.
Ich sehe Foxy und bedeute ihr mit einem nach unten zeigenden Daumen, dass die Luft für heute raus ist. Der lange Anstieg an der Neckarhalde zieht aber scheinbar nicht nur mir die Kraft aus den Beinen. Auch andere Läufer legen immer wieder Gehpausen ein. Links gibt es zum Glück einen kleinen Brunnen, in den ich in jeder der drei Runden mein Visor eintauche um meinen Kopf zu kühlen, denn auch die Sonne zeigt inzwischen, was sie kann. Und jedes Mal wenn ich den Scheitelpunkt erreiche muss ich daran denken, dass es nur wenige Meter entfernt ein Restaurant mit verdammt leckeren Burgern gibt – das ist doch echt unfair.
Und so schleppe ich mich Runde um Runde näher ans Ziel und versuche zumindest die Pace im Bereich von 5:00 min/km zu halten. Ok, ich gebe zu, das hier ist meckern auf hohem Niveau, aber im Normalfall wäre ich bestimmt eine halbe Minute pro Kilometer schneller. Als ich dann endlich das vierte Mal am Abzweig ankomme, orientiere ich mich in Richtung Zielbogen. Wenigstens auf meine stillen Reserven ist noch Verlass, denn ich schaffe es zumindest auf dem letzten halben Kilometer nochmal etwas Tempo aufzunehmen und erreiche schließlich mit einer Zielzeit von 2:48 min und ein paar Sekunden den blauen Teppich.
Foxy und eine Arbeitskollegin, erwarten mich schon im Ziel und lassen mir etwas Trost zukommen. Allerdings bin ich nicht wirklich unzufrieden mit dem Ergebnis. Ich hatte eben einen schlechten Tag – denke ich zumindest bist zum Zeitpunkt, als ich meine Sachen aus der Wechselzone hole. Als ich das Rad aus dem Ständer nehme, bemerke ich das das Hinterrad nicht frei läuft, sondern nach wenigen Umdrehung komplett zum Stehen kommt. Bei genauerem Hinsehen erkenne ich, dass die Hinterradbremse auf einer Seite schleift – das darf doch nicht wahr sein. Jeder verdammt Anfänger checkt seine Sachen in der Wechselzone nochmal auf volle Funktion – nur ich nicht!
Tja, was soll ich sagen? Um sich aufzuregen ist es jetzt eh zu spät – der Drops ist gelutscht. Aber verdammt, das wirklich ein waschechter Anfängerfehler. In zwei Wochen folgt der Allgäu Triathlon. Diesmal aber wieder mit dem eigenen Rad und definitiv mit einem genauen Check der gesamten Ausrüstung!
Zum Tübinger Triathlon sei noch gesagt, dass ich die Orga wirklich sehr gelungen fand. Die Stimmung war bombastisch und es gab wirklich wenig zu meckern. Beim Laufen hätte ich mir vielleicht noch etwas anderes zu trinken gewünscht außer Wasser und die Wechselzone war schon echt lang, war aber wohl aufgrund der Location und der Menge an Teilnehmern nicht anders zu organisieren. Ich hoffe, dass es nächstes Jahr wieder in der Tübinger Innenstadt zur Sache geht – ich bin definitiv dabei!
Trotzdem Glückwunsch! Ich find’s eine Wahnsinns-Leistung, kann aber auch verstehen, dass jeder seine Ziele und Maßstäbe hat Danke für den schönen, ehrlichen Bericht – ich finde es so wichtig, dass man auch mal Unmut/Unzufriedenheit/nicht so gute Dinge berichtet und ‚zugibt‘, viel zu oft sind Blogs und soziale Medien zu voll von perfekten Collagen, Zeiten und grinsenden Gesichtern (nehme mich da selbst nicht ganz raus ;)). Schön, sowas ehrliches zu lesen, und wie gesagt – meinen Respekt hast du! Gruß an Anna
Ich nehme da auch kein Blatt vor den Mund. Ich sehe das eher locker – der nächste Wettkampf kommt und dann wirds wieder besser danke für deinen Kommentar!
Positiv sehen das Ganze! Du hast da definitiv mehr Leistung auf die Straße gebracht als die meisten anderen Zudem bist du jetzt mit Sicherheit die nächsten Male wieder deutlich aufmerksamer und wirst den Fehler so schnell nicht wieder machen.
Davon kannst du ausgehen Danke für deine Worte!
Congratz! Tolle Leistung, trotz des „kleinen“ Fehlers 😉 Man lernt eben nie aus, und wenn es heißt, Routine nicht schleifen zu lassen. Das wird Dir garantiert nie mehr passieren!
By the Way – ich feier am 22.08. übrigens auch Triathlon-Premiere. Allerdins nicht im Einzelwettbewerb, sondern als Läuferin in einem Mannschafts-Wettbewerb. Werde dort den Marathonpart übernehmen. Da kommt gleich die zweite Premiere für mich: ich bin noch nie einen Straßenmarathon gelaufen. Ich werde sicherlich auch Fehler machen – das ganze Wechselzonen Knowhow habe ich überhaupt nicht. Leider sind meine Mannschaftskollegen auch Rookies. Wir werden das Beste daraus machen!
Viel Glück im Allgäu
Ne, ich glaub jetzt bin ich ein gebranntes Kind cool, wo startest du denn?
In Irland, beim Hardman:
http://www.hardman.ie/
Sponsored by Arbeitgeber… ich brauche nur zu laufen 😉